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KUNSTFREIHEIT vs. MACHTKRITIK
Diskussion
Eine Veranstaltung der
Internationalen Gesellschaft der
Bildenden Künste (IGBK), des Deutschen Künstlerbundes und des Internationalen Theaterinstituts (ITI) Deutschland
Veranstaltungsort:Projekraum des deutschen Künstlerbundes, Berlin, 1.Juni 2018
Konzeption und Projektleitung:
annette hollywood, Thomas Engel
dt/engl
Am Freitag den 1. Juni 2018 setzten wir uns mit der aktuellen Debatte um Kunstfreiheit im Spannungsfeld von 'MeToo' über Rassismus bis Rechtspopulismus im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung der Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste (IGBK), des Deutschen Künstlerbundes und des Internationalen Theaterinstituts (ITI) Deutschland auseinander. Auf dem Podium diskutierten Manaf Halbouni (Bildender Künstler, Dresden), Thomas Irmer (Publizisit und Theaterwissenschaftler, Theater der Zeit), Prof. Ulrike Rosenbach (Bildende Künstlerin, Internationale Gesellschaft der Bildenden Künste IGBK, GEDOK) und Prof. Dr. Gabriele Werner (Weißensee Kunsthochschule Berlin).
Meine Einführung mit historischen Bezügen und aktuellen Beispielen eröffnete den diskursiven Rahmen:
Kunstfreiheit historisch
Die Veranstaltung fand im Projektraum des Deutschen Künstlerbundes statt, der sich 1903 mit dem Ziel gegründet hat die Freiheit der Kunst gegen die Bevormundung durch den staatlichen Kunstbetrieb zu sichern. 1936 wurde er durch die Nationalsozialisten verboten und musste sich zwangsweise auflösen.
Der Schrecken dieser Epoche mitsamt der staatlichen Einschränkung der Kunstfreiheit und der Verfolgung und Diffamierung von Kunst und Künstler*innen hat in der Bundesrepublik dazu geführt, dass die Kunstfreiheit heute ein Grundrecht ist, das dem Schutz künstlerischer Ausdrucksformen dient. Es ist in Art. 5 Absatz 3 des Grundgesetzes verankert und zählt zu den am stärksten geschützten Grundrechten.
Der Schutzbereich der Kunstfreiheit umfasst sowohl den Werkbereich, also das Herstellen der künstlerischen Arbeit, als auch den Wirkbereich, da Kunst als Kommunikationsgrundrecht auf die Öffentlichkeit bezogen und daher auf Wahrnehmung in der Öffentlichkeit angewiesen ist.
In der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 schützte Art. 34 formal die Kunstfreiheit. 1968 wurde sie in der Verfassung nicht mehr aufgenommen, stattdessen wurde dort von „sozialistischer Kultur“ bzw. „sozialistischer Nationalkultur“ gesprochen.
Kunstfreiheit aktuell
Die aktuelle politische Lage und die gesellschaftlichen Bewegungen von Rechtspopulismus bis hin zu metoo haben eine Diskussion um die Kunstfreiheit entfacht, die seitdem auf der Straße, in den Medien, den sozialen Netzwerken, den Institutionen und den Feuilletons in diversen Debatten mit Beweggründen und Einschätzungen wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten, geführt wird. Dabei sind viele Kunst- und Kulturschaffende aber auch Institutionen mit einer Hinterfragung ihres Schaffens und dessen Veröffentlichung aktuell konfrontiert, wie z.B. durch rechtspopulistische Angriffe einzelner Künstler*innen und deren Werke.
Seit dem Einzug der AfD in die Landtage und den Bundestag versucht diese die Unabhängigkeit und Freiheit der Kunst und Institutionen zu beschneiden und zu beeinflussen. So hat z.B. der Abgeordnete der AfD im Berliner Senat beantragt, einigen Berliner Theatern als "Beispiel für Multikulti-Ideologien" die Mittel zu kürzen.
Dass wir uns daher um die Kunstfreiheit sorgen ist wohl nicht verwunderlich.
Und so hat der Deutsche Kulturrat nach der Bundestagswahl „auch an die politisch Verantwortlichen im Deutschen Bundestag appelliert, dass der Ausschuss für Kultur und Medien im Parlament, der ja eine besondere Verantwortung für die Kunst- und Medienfreiheit sowie die Erinnerungskultur trägt“, keinesfalls an die AfD gehen darf.
Während sich die meisten Kunst und Kulturschaffenden hier sehr einig waren und sind, wird die Debatte um eine bedrohte Kunstfreiheit wie sie in der Folge der metoo Bewegung und den sich daraus ergebenden Fragen zu Sexismus aber auch Rassismus in der Kunst und ihren Institutionen betrachtet wird, sehr viel konträrer geführt.
Entstanden sind diese Diskussionen um die Präsentation von Kunstwerken vor allem in den USA aus persönlich geführten Initiativen heraus, die z.B. die Fortschreibung von Machtverhältnissen und -missbrauch kritisieren.
So forderte Mia Merril in ihrer Online Petition das Met New York auf ein Werk von Balthus (1938) abzuhängen. Sie schreibt, der Künstler sei für seine "Vernarrtheit in pubertierende Mädchen" bekannt gewesen und sieht hier die Notwendigkeit des Museums einen pflichtbewussteren Umgang in Bezug auf die Kontextualisierung solcher Werke.
Ein anderer Fall mit dem Vorwurf Rassismus und kultureller Aneignung der Geschichte schwarzer Unterdrückung ist der Protest gegen die Ausstellung des Gemäldes Open Casket (2016) von Dana Schutz während der Whitney-Biennale, und die damit verbundene Aufforderung der Künstlerin Hannah Black an ihre Kollegin das Bild zu zerstören, da sie damit die Gefühle von Afroamerikaner*innen verletze.
Auch hierzulande hat z.B. die Diskussion um das Gedicht von Eugen Gomringer an der Wand der Alice Salomon Hochschule und den studentischen Protesteten dagegen die Diskussion um die Wirkung und Neubewertung von Kunst im gesellschaftlichen Wandel, der Kritik an ihr und deren Grenzen zu einer sehr diversen Einschätzung in den Feuilletons geführt.
So sehen viele die Kunstfreiheit von politischer Korrektheit bedroht und befürchten, dass zahlreiche Kunstwerke nicht mehr oder nur mit Erklärungstexten gezeigt werden könnten.
Andere sehen in dieser Befürchtung einer Einschränkung der Kunstfreiheit eine übertriebene Reaktion und Angst der Privilegierten vor machtkritischen Diskursen in den Kunstinstitutionen, die sich einer längst überfälligen Neubewertung des patriarchalen Kanons der westlichen Kunst stellen sollten. So werden Ausschlußmechanismen wie die Abwesenheit von Frauen oder andere marginalisierte Gruppen in den Sammlungen bemängelt aber auch eine fehlende Kontext-ualisierung von historischen Werken z.B. mit diskriminierenden Inhalten.
Auch wird die strukturelle Diskriminierung in der Kunstwelt kritisiert, an der sich seit Jahrzehnten nichts ändere.
Ist die Kunstfreiheit also wie Julia P Feldmann in der Zeit schreibt „ein Vorrecht der Wenigen und ein liberales Trugbild?“
Diskussion
Die anschließende Diskussion von Panel und Publikum, die von Anna Steinkamp moderiert wurde, fokussierte vor allem Fragen zu Machtdiskursen im Kunstfeld und die Position von Künstler*innen in diesen. Der kritische Diskurs der durch die metoo Bewegung auch in Institutionen hierzulande geführt wird, wurde von den Panelist*innen sehr begrüßt. Wobei es unterschiedliche Einschätzungen dazu gab. Gabriele Werner und Ulrike Rosenbach bemängelten das Fortbestehen der strukturellen Diskriminierungen von Frauen und Minderheiten im Kulturbetrieb. Sie forderten wieder mehr direkte künstlerische Aktionen in Kunstinstitutionen, wie in den sechziger und siebziger Jahren, um sich gegen die herrschenden Machtverhältnisse aufzulehnen. Thomas Irmer hingegen hielt vor allem eine strafrechtliche Verfolgung der im Kontext von metoo debattierten Fälle für wichtig.
Alle befürworteten eine kritische Auseinandersetzung mit umstrittenen Werken, um Kunst als lebendiges Instrument unserer Demokratie und einer diversen Debatte in unserer Gesellschaft eine zentrale Aufgabe der Kunst, Demokratie zu erhalten. Dabei sei es wünschenswert, dass das Publikum sich als mitgestaltender Akteur einmische.
Das dies in Zeiten des Rechtsrucks der Gesellschaft auch zu unangenehmen und bedrohlichen Auseinandersetzungen mit dem Publikum führen kann berichtete der Künstler Manaf Halbouni. Er wies darauf hin, dass die neue Rechte ein hochprofessionell organisiertes Netzwerk aufweise, und es für Künstler*innen eine große Herausforderung aber auch Aufgabe sei diesem mit legalen, künstlerischen und demokratischen Mitteln zu begegnen.
Gabriele Werner forderte mehr Demokratie in den hierarchischen Strukturen von Kunst, Wissenschaft und Lehre. Hier sollten vor allem die oftmals vorgeschobenen Qualitätskriterien kritisch hinterfragt werden, dahingehend, wer was als gut definiere und welche Interessen dahinter stehen.
Das Publikum brachte sich mit vielen oft beispielhaften Fragestellungen lebhaft in die Diskussion ein und bemängelte vor allem die strukturelle Diskriminierung von Frauen im Kunstbetrieb, die immer noch anhalte.
Hier wurden Instrumentarien wie eine Quotenregelung kontrovers diskutiert, aber die Untersuchung und Kontextualisierung von Sammlungen in Bezug auf diverser Diskriminierungen.
Zudem sei es wichtig, dass sich Künstler*innen solidarisch zusammenschließen, in Verbänden und darüber hinaus, um sich gemeinsam für strukturelle Veränderungen und Gleichberechtigung in Kunst, Lehre und Wissenschaft einzusetzen.
weitere Informationen unter:
www.igbk.de
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engl
further information:
www.igbk.de
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